Biodiversität, Bewässerung, geänderte Fruchtfolgen, optimierter Pflanzenschutz: Ministerin Otte-Kinast kündigt auf Pflanzenbau-Fachtagung der Landwirtschaftskammer Strategieprozess für nachhaltige Entwicklungsperspektive an.
Sehnde – Extreme Wetterlagen, Pläne von Staat und Politik und gesellschaftliche Forderungen: Dass sich die niedersächsischen Ackerbauern auf zahlreiche Veränderungen einstellen müssen, wurde am Freitag (22. Februar) auf der alljährlichen Pflanzenbau-Fachtagung der Landwirtschaftskammer (LWK) Niedersachsen in Sehnde-Rethmar (Region Hannover) deutlich. Mit einem speziell auf Niedersachsen abgestellten Strategieprozess will die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast alle wesentlichen Handlungsfelder und Anpassungen bei den Rahmenbedingungen und betrieblichen Prozessen zu einer gemeinsamen Zielvorstellung und zu praktischen Leitlinien für den zukunftssicheren Ackerbau ausarbeiten.
Gezielte Fortbildung, zusätzliche Bewässerung, Optimierung des integrierten Pflanzenschutzes und der organischen Düngung, die Verbesserung der Bodenqualität und die Förderung der biologischen Vielfalt sind verschiedene Möglichkeiten, sich auf die Zukunft einzustellen: All diese Aspekte, die Referentinnen, Referenten und Publikum am Freitag in Sehnde-Rethmar diskutieren, werden im Laufe des Jahres in die Ausarbeitung der Strategie eingebracht.
„Wir wollen für Niedersachsen mit den Institutionen und Akteuren gemeinsam eine Ackerbaustrategie erarbeiten – unser Ziel ist es, möglichst viele Landwirte auf dem Weg in die Zukunft mitzunehmen und eine verlässliche Orientierung zu bieten“, sagte Ministerin Otte-Kinast vor den 140 Besucherinnen und Besuchern der LWK-Fachtagung. „Deshalb brauchen wir für unsere motivierten Betriebsleiter klare Vorgaben und keine Wettbewerbsverzerrung – eine gemeinsame Richtschnur, an die sich auch Staat und Politik bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen halten.“
Das Land arbeite beim Strategieprozess eng mit dem Bund zusammen. „Allerdings wollen wir eine für Niedersachsen spezifische Strategie entwickeln und unsere eigenen, stärker praxisorientierten Wege gehen“, betonte die Ministerin mit Blick auf die natürlichen und strukturellen Besonderheiten des Landes.
„Die Landwirtschaftskammer ist bereit, sich mit all ihren Ressourcen an der Erarbeitung und Umsetzung der Ackerbaustrategie zu beteiligen“, bekräftigte Kammerpräsident Gerhard Schwetje. „Wir stehen vor der großen Herausforderung, den Spagat zwischen Umweltschutz und Einhaltung der diversen Vorgaben auf der einen Seite und einer bedarfsgerechten und wirtschaftlichen Pflanzenversorgung auf der anderen Seite sicherzustellen“, sagte der Kammerpräsident mit Blick etwa auf den zurückliegenden Dürresommer 2018, Einschränkungen beim chemischen Pflanzenschutz und auf die weiter wachsenden Anforderungen im Nährstoffmanagement.
„Der fortschreitende Klimawandel führt in Mitteleuropa zu stabileren Wetterlagen, so dass lang anhaltende Nässeperioden wie 2017 und lang anhaltende Dürreperioden wie 2018 künftig häufiger auftreten werden“, hob Dr. Mathias Herbst, Leiter des Zentrums für Agrarmeteorologische Forschung beim Deutschen Wetterdienst in Braunschweig, als einer der Referenten der Tagung hervor. „Die Landwirtschaft ist einem zunehmenden Risiko witterungsbedingter Ertragseinbußen ausgesetzt.“
Nur aufwändige zusätzliche Bewässerung habe im vergangenen Sommer vielerorts Ertragseinbußen verhindert, sagte Ekkehard Fricke, bei der LWK Sachgebietsleiter für Beregnung. Nicht nur im Osten Niedersachsens, wo Beregnung auf sandigen Böden schon lange üblich sei, nehme die Nachfrage nach dieser Technologie zu. „Auch auf guten Böden interessieren sich immer mehr Landwirte für die Beregnung, weil die Wasserspeicherkapazitäten der guten Böden bei so langen Trockenphasen wie 2018 nicht ausreichen, um die Pflanzen zu versorgen.“ Doch nicht überall lasse der verfügbare Grundwasservorrat eine Beregnung zu.
Die zunehmenden Wetterkapriolen lösten in Pflanzenbeständen Stressreaktionen und steigenden Befall mit Schaderregern aus, berichtete Günter Stemann, Leiter des Versuchsgutes Merklingsen der Fachhochschule Südwestfalen. „Um die Stressresistenz von Pflanzenbeständen zu verbessern, muss der Fokus primär auf die Verbesserung der Bodenfunktionen und die Auflockerung der Fruchtfolgen gelegt werden.“
In Ackerbauregionen könne es regional in Abhängigkeit der Fruchtfolge und Bewirtschaftungsweise zu Defiziten in der Humusversorgung des Bodens kommen, warnte Birgit Apel, Referentin für Düngung und Bodenschutz bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen in Köln. „Langjährige Feldversuche in der Köln-Aachener-Bucht haben gezeigt, dass durch einen gezielten und bedarfsgerechten Einsatz von organischen Düngern der Humusgehalt von Ackerböden erhöht und die Ertragsleistung des Standortes verbessert werden kann.“
Neben den Erträgen könnten die Betriebe auch die biologische Vielfalt rund um ihre Kulturen fördern, betonte Nora Kretzschmar, bei der Landwirtschaftskammer Niedersachsen Fachreferentin für Naturschutz: „Das kann zum einen über die Pflege und Entwicklung von Landschaftsstrukturen wie Hecken, Säume und Blühstreifen geschehen, zum zweiten über die Integration biodiversitätsfördernder Produktions- und Anbauverfahren.“ Dazu zählte Kretzschmar zum Beispiel eine mehrgliedrige Fruchtfolge, den Anbau von Mischkulturen und die Aussaat von Getreide mit verringerter Saatstärke. Auf jedem Betrieb fänden sich Ansätze, um die biologische Vielfalt zu fördern, bekräftige Kretzschmar. „Dafür ist es wichtig, dass die Betriebe Biodiversitätsförderung als Teil ihrer Unternehmenskultur verstehen und Möglichkeiten jährlich in ihre Anbauplanung miteinbeziehen.“
Bei allen Veränderungen auf dem Acker spielt eine individuell für den Standort angepasste Kombination unterschiedlicher Pflanzenschutz-Verfahren eine wichtige Rolle. „Der integrierte Pflanzenschutz ist ein System zum Wohle der Umwelt, des Verbrauchers und des Landwirtes, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf ein Minimum zu reduzieren“, sagte Dr. Carolin von Kröcher, bei der LWK Leiterin des Pflanzenschutzamts. „Wichtig ist dazu vor allem die Bereitstellung einer intensiven Ausbildung und Beratung, mit der deutlich gemacht werden kann, dass das System funktioniert und die integrierten Konzepte in der Praxis konsequent umgesetzt werden.“
Für den Grundwasserschutz müssten sich Niedersachsens Landwirte in naher Zukunft auf eine deutliche Verschärfung der Düngeverordnung einstellen, kündigte Dr. Gerhard Baumgärtel, bei der LWK Leiter des Fachbereichs Pflanzenbau und Saatgut, den Tagungsteilnehmer an. „Die Ende Januar von der Bundesregierung an die EU-Kommission in Brüssel weitergegebenen Änderungsvorschläge enthalten in vielen Punkten eine deutliche Einschränkung der bedarfsgerechten Düngung.“ Aus fachlicher Sicht sei zu fordern, dass die generalisierenden Vorgaben mit einer standort- und bewirtschaftungsspezifischen Differenzierung versehen werden.
Moderator Stefan Ortmann, bei der LWK Leiter des Geschäftsbereichs Landwirtschaft, stellte in der Zusammenfassung der Fachtagung fest, dass alle vorgestellten Themen Aspekte für die Zukunftssicherung des Ackerbaus seien, die letztlich jeder Betrieb für sich nach seinen Möglichkeiten und Zielen kombinieren müsse. Dabei werde künftig die für Niedersachen verfolgte Ackerbaustrategie zu einer wertvollen Orientierung, und Beratungsinstitutionen wie die Landwirtschaftskammer unterstützten bei der Umsetzung.
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