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EKW: Erstmals Defibrillator mit Smartphone-Anbindung einem herzkranken Patienten implantiert

Telemedizinische Betreuung senkt die Mortalität um fast ein Drittel
 
Als eine der ersten Kliniken in Deutschland hat das Evangelische Krankenhaus Göttingen-Weende einem Patienten mit einer Herzmuskelschwäche einen neuartigen Defibrillator implantiert. Der Patient in Göttingen ist der zweite in Deutschland, dessen Defibrillator mit Teleanbindung via Handy-App ausgestattet ist.
 

Der implantierbare Defibrillator kommuniziert über BluetoothTechnologie mit dem Smartphone des Patienten und dem Arzt des Krankenhauses. © EKW
 

Der implantierbare Defibrillator der Firma Medtronic heißt Crome und kann sich durch die Bluetooth-Technologie sicher und drahtlos mit dem Tablet des Arztes und dem Smartphone des Patienten verbinden. „Diese neuen Geräte bieten eine nahtlose Patienten-Nachsorge, da die Patienten und Gerätedaten auf das Handy oder Tablet übertragen werden. Zudem erfordern sie weniger zeitaufwendige Krankenhausbesuche“, sagt Dr. Stephan Schmidt-Schweda, Chefarzt der Abteilung Kardiologie und Internistische Intensivmedizin des Ev. Krankenhauses Göttingen-Weende (EKW). Er hat dem 60-jährigen Patienten in einer knapp halbstündigen Operation den neuen Defibrillator implantiert. Die OP hat in Teilnarkose stattgefunden. Bereits am nächsten Tag konnte der Mann das Krankenhaus wieder verlassen.

Bei dem Patienten liegt eine Herzmuskelschwäche zugrunde, die mit einer eingeschränkten Pumpfunktion des Herzens einhergeht. Trotz medikamentöser Behandlung kann es bei dieser Erkrankung immer zu Herzrhythmusstörungen bzw. einem Herzkammerflimmern kommen, die unbehandelt in 95 Prozent der Fälle tödlich sind. Eine Defibrillator-Implantation ist in solchen Fällen ein Standardeingriff. Die Besonderheiten bei dem jetzt am Weender Krankenhaus implantierten Defibrillator liegen in der Nachsorge: Im klinischen Alltag sind die neuen Defibrillatoren für Ärzte eine ganz neue Möglichkeit, die Geräte zu kontrollieren und einzustellen. Programmierungen sind nun über einen leichten und tragbaren so genannten Tablet-Gerätemanager durchführbar, der vom behandelnden Arzt bedient wird.

 

Mit einem Tablet hat der Arzt Zugriff auf aktuelle Herz-Daten des Patienten, wie Herzfrequenzvariabilität, Vorhofflimmern und Wasseransammlungen. © EKW
 

Herz-Daten kommen zum Arzt, nicht der Patient

Für die regelmäßigen Nachsorgen kann der Patient über sein eigenes Mobiltelefon mit einer Handy-App einfach und direkt mit dem Ev. Krankenhaus Göttingen-Weende verbunden bleiben. Diese neue Technologie bedeutet mehr Flexibilität und Mobilität für den Patienten im Alltag: Per Fernnachsorge ist der Patient größtenteils ortsungebunden. Dies ist eine enorme Erleichterung sowohl für die Patienten als auch die Ärzte in der kardiologischen Abteilung des Weender Krankenhauses. „Telemedizin bei Herzinsuffizienz ist die Zukunft“, sagt Dr. Stephan Schmidt-Schweda. „Und wir im Ev. Krankenhaus Göttingen-Weende sind deutschlandweit ganz vorne mit dabei.“

 

Frühzeitig können über die App automatisch Warnmeldungen von klinisch relevanten Patientenereignissen an das EKW gesendet werden. Der Arzt kann dann den Patienten zeitnah in die Klinik einbestellen. Patienten können in der App bestimmte Gesundheits- und Gerätedaten einsehen, ebenso wie ihre getätigten oder ausstehenden Datenübertragungen. Der neuartige Defibrillator identifiziert Änderungen des Patientenstatus, die zu einer Verschlechterung der Herzinsuffizienz und zu einem Krankenhausaufenthalt führen können. Dabei teilt das System die Patienten automatisch in drei Risikokategorien ein, indem Faktoren wie Herzfrequenzvariabilität, Vorhofflimmern und Wasseransammlungen ausgewertet und fernüberwacht werden.

Eine Studie aus 2019 ergab, dass eine Verschlechterung des Patientenzustands durch die Telemedizin sieben bis zehn Tage vor einem drohenden Krankenhausaufenthalt erkannt wurde. Arzt und Patient werden in diesem Fall schnell informiert, so dass adäquat reagiert werden kann. Die Studie hat ebenfalls gezeigt, dass eine telemedizinische Betreuung die Mortalität bei Patienten mit Herzschwäche um fast ein Drittel gesenkt hat.

„Bei engagierten Patienten ist tendenziell die Bereitschaft, sich gesundheitsbewusst zu verhalten, deutlich höher“, sagt Dr. Stephan Schmidt-Schweda. „Die Handy-App und die Bluetoothfähigen Implantate ermöglichen es den Patienten, sich mehr an ihrer eigenen Herzgesundheit zu beteiligen und mithilfe von Technologie, die sie täglich nutzen, mit dem Weender Krankenhaus in Verbindung zu bleiben“, so der Chefarzt.

 

Dr. Stephan Schmidt-Schweda ist Chefarzt der Abteilung Kardiologie und Internistische Intensivmedizin am Ev. Krankenhaus GöttingenWeende. © EKW
 

Für Patienten, die kein Smartphone verwenden, gibt es mit einem sogenannten „Home Communicator“ eine alternative Option. Dieser bietet den Patienten ebenfalls eine leichte und zuverlässige Fernnachsorge. Dadurch, dass die manuelle Kopplung nicht mehr erforderlich ist, sind fast keine Benutzerinteraktionen erforderlich.

Die Marktfreigabe dieser neuen Generation von implantierbaren Defibrillatoren mit der Spezialisierung auf telemedizinische Patientenbetreuung erfolgte für Deutschland Mitte Januar 2021, der Patient im EKW war der zweite in Deutschland.

 
Hintergrundinformation:
Bei dem im EKW implantierten Defibrillator handelt es sich um einen implantierbaren Kardioverter-Defibrillator (ICD). Diese werden bei Patienten mit erhöhtem Risiko zur Verhinderung des plötzlichen Herztodes eingesetzt. Im Vergleich zu einem Herzschrittmacher, der den Herzmuskel zu einer regelmäßigen Kontraktion anregt, kann ein Defibrillator bei plötzlich auftretenden, lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen durch die Abgabe eines kurzen elektrischen Stromimpulses das flimmernde Herz, welches also viel zu schnell schlägt, wieder in den richtigen Rhythmus bringen. Jedes Jahr erliegen in Europa ca. 500.000 Patienten dem plötzlichen Herztod. Ursächlich sind in den meisten Fällen Anomalien in der normalen Herzschlagfolge (Herzrhythmusstörungen, Arrhythmien). Diese Herzrhythmusstörungen werden durch eine Störung im elektrischen Reizleitungssystem des Herzens hervorgerufen. Die ICD sind Medizingeräte von etwa Taschenuhrformat, die im Brustraum implantiert werden und von denen Elektroden (elektrische Leitungen) unter der Haut zum Herzen führen. Beim Auftreten eines lebensbedrohlichen Kammerflimmerns (Arrhythmie) erfolgt über diese Elektroden die Abgabe entsprechender elektrischer Impulse an das Herz, um die Arrhythmie zu beenden.
 

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